Kapitel 2.12
Jugend hackt
Das Projekt
Mit Code die Welt verbessern – das ist seit 2013 das Ziel von Jugend hackt, einem Programm für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren, die Lust auf Technik haben und darauf, sich damit auseinanderzusetzen, wie Technik und Gesellschaft zusammenhängen. Bei Jugend hackt wird natürlich gecodet und gebastelt, es geht uns aber um mehr. Wir wollen einen verantwortungsbewussten Umgang mit Technik vermitteln. Dazu gehört für uns, dass wir uns mit ethischem Hacking auseinandersetzen, aber auch mit der Offenheit von Code und Daten. Technik-Kompetenz ist mehr als etwas, das sich gut im Lebenslauf macht. Es geht uns also nicht darum, die Jugendlichen auf einen konkreten Beruf vorzubereiten oder möglichst früh Kontakte zur Wirtschaft zu knüpfen. Lernen heißt für uns vor allem, sich selbst auszuprobieren und auch Fehler zu machen. Unser pädagogischer Ansatz folgt daher stark dem erfahrungsbasierten Lernen. Gemeinsam mit unseren ehrenamtlichen Mentor:innen können die Jugendlichen bei Jugend hackt eigene Projektideen entwickeln und sie gemeinsam umsetzen.
Was ist 2022 passiert?
Ressourcen
Laufzeit
Das Projekt läuft seit September 2013.
Budget
2022
Einnahmen: 617.261 €
Ausgaben: 697.985 €
davon Personalausgaben: 215.753 €
davon Sachausgaben: 482.232 €
2021
Einnahmen: 659.561 €
Ausgaben: 606.664 €
davon Personalausgaben: 221.734 €
davon Sachausgaben: 384.930 €
Personal
Projektleiterinnen: Nina Schröter, Anne Ware
Projektmanagerin: Lisa Jahn
Community Manager: Philip Steffan
studentischer Mitarbeiter: Ivan Botica
Bundesfreiwilligendienstleistende: Benjamin Laske, Anton Melchert
ehrenamtliche Arbeit
über 8.000 Stunden
Partner:innen
mediale pfade.org – Verein für MedienbildungAußerdem gibt es viele weitere lokale Partnerorganisationen: Jugend hackt hat ein großes Netzwerk, mit dem wir gemeinsam vor Ort in verschiedenen Städten das Programm umsetzen.
Förderung
Deutsche Bahn Stiftung, Sächsisches Staatsministerium für Kultus, Datev-Stiftung Zukunft, Robert-Rothe-Stiftung, Arnfried und Hannelore Meyer-Stiftung, GLS Treuhand, Heidehof Stiftung, außerdem Sponsorings und Spenden von Unternehmen sowie Spenden von Privatpersonen
inhaltliche Schwerpunkte
Für Jugend hackt ist 2022 das Jahr der Begegnung geworden: Nach 2020, dem Jahr der Absagen aller Präsenzangebote und Neuerfindung als Digital-Event, und 2021, dem Jahr der gemischten Angebote je nach Corona-Lage, konnten wir uns 2022 endlich wieder durchgehend vor Ort begegnen, dank großer Vor- und Rücksicht und ausführlichen Hygienekonzepten.
Auch ohne vorgegebenes Jahresmotto sind bestimmte Themen vermehrt aufgetaucht: Viele der Prototypen der jugendlichen Teilnehmer:innen zeigen Ansätze auf, wie schulische Bildung mit digitalen Anwendungen spannender vermittelt werden könnte. Auch in den Bereichen Umweltschutz und Überwachungen geben die Projekte immer wieder Impulse. Vor allem in München, wo das Event unter dem Thema „Code and Culture“ stand, aber auch an den anderen Standorten, gibt es außerdem viele spannende Auseinandersetzungen mit (digitaler) Kunst.
Unsere erste Konferenz trug den Namen „➠Beyond Code“ und fand im November in Dresden statt. Zu den zwei Themenbereichen „zeitgemäße digitale Bildung“ und „gesellschaftliche Anforderungen an Künstliche Intelligenz“ haben wir interessierte Jugendliche und Mentor:innen mit Expert:innen zusammengebracht.
In vier Gruppen erarbeiteten die Teilnehmer:innen Vorschläge und Forderungen, zum Beispiel ein neues Schulfach „digital literacy“ anstelle von Informatik. Dazu passend forderte eine andere Arbeitsgruppe, die Didaktik des Informatikunterrichts grundlegend zu überarbeiten. Echte „digital literacy“ bedeute zudem, dass es auch außerhalb schulischer Kontexte Freiräume geben müsse, in denen man sich ausprobieren und voneinander lernen könne. Hier, ebenso wie beim Thema Künstliche Intelligenz, stehen im Mittelpunkt der Forderungen gesellschaftliche Fragen.
Output
Achtmal kamen 2022 Jugendliche und Mentor:innen für ein Wochenende zusammen, um eigene Coding-Projekte umzusetzen. Im April ging es in Dresden los, über das Jahr verteilt gab es Jugend hackt dann in Frankfurt am Main, Mannheim, Hamburg, Berlin, Köln, Linz und schließlich im Dezember in München. Es war damit das erste Jahr seit 2019, in dem Jugend hackt vollständig wieder vor Ort stattfinden konnte. Ganz weg sind die in den vergangenen Jahren entwickelten Remote-Ideen aber nicht: Viele Events starten mit einem digitalen Vorab-Treffen und in Köln war sogar das ganze Wochenende hybrid geplant, sodass Jugendliche vor Ort oder von zuhause aus dabei sein konnten.
Seit längerem gab es in der Jugend-hackt-Community außerdem den Wunsch, einmal einen Hackathon nur für Mentor:innen zu veranstalten – ein Wochenende, um miteinander Zeit zu verbringen und an Projekten arbeiten zu können. Mitte August konnten wir diese Idee umsetzen: 20 Mentor:innen trafen sich im Eigenbaukombinat, dem großen Hackspace in Halle an der Saale. In den rund 48 Stunden entwickelten die Mentor:innen diverse interne Tools für Jugend hackt weiter. Das Format soll 2023 erneut stattfinden.
Das partizipative Format der Jugendkonferenz „Beyond Code“ im Dezember hat sich als durchweg erfolgreich erwiesen. So gelang die Beteiligung sehr unterschiedlicher Altersgruppen sowie von Personen mit sehr unterschiedlichen technischen Wissensständen und aus verschiedenen Disziplinen. Sowohl in der Konzeption und Vorbereitung als auch bei der Durchführung und Nachbereitung der Konferenz waren die Teilnehmer:innen direkt involviert. An den beiden Konferenztagen gelang es zudem, innerhalb sehr heterogener Arbeitsgruppen komplexe Themen zu diskutieren und konkrete Forderungen herauszuarbeiten. Wir wollen das Format aufgrund der großen positiven Resonanz auch in Zukunft wiederholen und weiterentwickeln. So soll es langfristig gelingen, Jugendliche auf Augenhöhe in aktuelle Diskurse einzubeziehen und aktiv mit Expert:innen und Politik ins Gespräch zu bringen.
Die Expansion unserer Lab-Standorte dank der Förderung durch die Deutsche Bahn Stiftung ging auch 2022 weiter: In sieben neuen Städten (Augsburg, Bremerhaven, Moers, Münster, Offenbach, Schwerin und Wülfrath) starteten im Herbst regelmäßige Workshop-Angebote und werden bereits sehr gut nachgefragt.
Davor stand im Frühjahr die Ausschreibung, auf die 19 Bewerbungen eingingen. Es folgte die Auswahl der genannten sieben Standorte, ein Kennenlerntreffen bei uns in Berlin im Mai und dann über den Sommer die konkrete Vorbereitung der Angebote. Dabei setzen wir ganz auf regen Austausch im Lab-Netzwerk: In unseren monatlichen Calls sprechen die alten und die neuen Lab-Leads über Inhalte, Didaktik und alle möglichen organisatorischen Aspekte. Der tägliche Austausch läuft über unsere interne Online-Community.
Weiterhin ist die Trägerschaft der Labs sehr gemischt – mal steckt hinter dem lokalen Lab die Stadtverwaltung selbst, mal sind es Aktive in Stadtlaboren und Hackerspaces. Alle eint, dass sie mit großer Initiative Teil unseres wachsenden Netzwerks geworden sind, worüber wir uns sehr freuen.
In Sachsen wurden die Jugend hackt Labs am 14. Dezember mit dem Sächsischen Digitalpreis ausgezeichnet. Die drei Standorte im Land erhielten den zweiten Platz in der Kategorie „Gesellschaft“. 2022 war endlich auch das Jahr des Jugendbeirats von Jugend hackt. Die Idee gab es schon wesentlich länger, aber seit diesem Jahr gibt es eine Gruppe von Jugendlichen, die sich laufend austauscht und regelmäßig trifft. Im Netzwerk von Jugend hackt, das aus allen Kooperationspartnern besteht, die unsere Events und Labs durchführen, ist der Jugendbeirat die Vertretung von jungen Menschen aus der Community.
Der Jugendbeirat besteht aus jungen Menschen, die das Programm Jugend hackt mitgestalten wollen. Vertreter:innen des Beirats haben 2022 u.a. bei der Auswahl der neuen Lab-Standorte geholfen und sich auf der Konferenz „Beyond Code“ aktiv eingebracht.
Outcome
Mehr als 1.800 Jugendliche haben an unseren Angeboten teilgenommen. Auf den Events haben die Jugendlichen 65 Projekte konzipiert und selbst umgesetzt. Die rund 280 Lab-Angebote wurden gut angenommen, Jugendliche nehmen weiterhin regelmäßig teil und kommen immer wieder. Wir haben es geschafft, eine dauerhafte Online-Community für Jugendliche aufzubauen, in der lebhaft und angeregt diskutiert wird. Die Jugendlichen erfahren Selbstwirksamkeit und übernehmen aktive Rollen im Programm als Mentor:innen auf Events, als Vortragende und Workshopleiter:innen in den Labs und online, als gleichberechtigte Ansprechpartner:innen in inhaltlichen Fragen, als Moderator:in im Community Talk oder indem sie ihre Themen in die Online-Community einbringen.
Impact
Die Jugendlichen werden in ihrer Fähigkeit gestärkt, Dinge selbst zu gestalten und ihr technisches Knowhow mit gesellschaftspolitischem Gestaltungswillen zu verknüpfen. Dabei können sie ihr Selbst- und Weltbild weiterentwickeln und diese neuen Perspektiven auf ihren Alltag übertragen. Dies wirkt sich auf ihre Interaktion sowohl mit Gleichaltrigen als auch mit Erwachsenen aus. Langfristig wirken diese Erfahrungen und Erkenntnisse der Politikverdrossenheit entgegen und führen zu einer reflektierteren und gleichzeitig positiveren Diskussion um unsere digitalen Möglichkeiten. Es entstehen Anstöße und Motivation zur Mitgestaltung des eigenen Umfelds und damit letztlich unserer Gesellschaft. Durch die neu eröffneten Jugend-hackt-Labs haben mehr Jugendliche an mehr Orten niederschwelligen Zugang zu unseren Angeboten. Sie erwerben dort neue Fähigkeiten, geben sie an andere Jugendliche weiter und wenden ihr neues Wissen an. Sie arbeiten eigenständig an Projekten weiter und verbessern dabei ihre Teamfähigkeit.
Evaluation
Innerhalb des Jugend-hackt-Teams überprüfen wir anhand unserer Jahresziele und Meilensteine quartalsweise das Erreichen der Ziele und justieren gegebenenfalls unsere Abläufe. Hierzu kommen wir einmal im Jahr in unserem Team zu einer Klausurtagung zusammen, darüber hinaus führen wir zweimal im Jahr, im Frühjahr und zum Jahresende, ein ➠Netzwerktreffen mit allen Partnerorganisationen durch.
Neben dem Monitoring darüber, wie viele Jugendliche wir online und bei unseren Veranstaltungen erreichen, führen wir regelmäßig Gespräche mit den Jugendlichen, um zu überprüfen, welche Bedarfe und Verbesserungsvorschläge unsere Zielgruppe hat.
Ausblick
In unserem Jubiläumsjahr 2023 wollen wir vor allen Dingen auf Verstetigung und Netzwerkarbeit setzen. An drei weiteren Standorten sollen Jugend-hackt-Labs eröffnet werden. Wir wollen mit 100 Jugendlichen im August auf das große Hacker:innen-Camp des CCC fahren. Die Zahl der Jugend-hackt-Events bleibt konstant. Im September wollen wir das 10-jährige Jubiläum des Programms mit unserer Community feiern.
Wirkungskette
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Das Problem
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Jugendliche erleben eine Welt, die durch Technik geformt wird, die nur von einem kleinen Teil der Gesellschaft gemacht wird.
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Mögliche Ursachen
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Ungleiche Bildungschancen,
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fehlende Sensibilität für Machtstrukturen,
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eine grundlegende gesellschaftliche Technik-Skepsis,
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mangelnde Anerkennung für die Programmierbegeisterung bei Jugendlichen,
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fehlende offene Lernräume mit passenden Angeboten in ihrer Nähe sowie
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der oft noch fehlende Blick für die gesellschaftlichen Chancen der Digitalisierung
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führen dazu, dass
in einer Gesellschaft, deren Möglichkeiten immer stärker von technischen Systemen geformt wird, ein Ungleichgewicht zugunsten der nicht repräsentativen Gruppe herrscht, die diese Systeme entwirft und produziert.
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Lösungsansatz
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Jugend-Hackathons
Jugendliche vernetzen sich mit Gleichgesinnten, arbeiten an digitalen Projekten und setzen sich gleichzeitig mit deren gesellschaftlichen und ethischen Implikationen auseinander.
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Workshops und offene Angebote in Labs
Jugendliche können in ihrer Nähe regelmäßig Gleichgesinnte treffen, neue Fähigkeiten erlernen und ausprobieren und gemeinsam an eigenen Projekten arbeiten.
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Angestrebte Wirkung
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auf Jugendliche, die gerne programmieren oder es lernen wollen
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Jugendliche erweitern ihr Wissen und ihre Reflexions- und Teamfähigkeit,
- vertiefen ihre Problemlösungsfähigkeiten,
- entwickeln eine Sensibilität für Verantwortung/Ethik in der Technik und
- erleben (politische) Selbstwirksamkeit.
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auf Jugendliche, die die in der Technikszene eher unterrepräsentiert sind
- Jugendliche entwickeln Zugehörigkeitsgefühl und ein positives Selbstbild,
- erfahren eine Bestätigung der eigenen Kompetenzen als relevant und erleben ein Umfeld, das sie gleichberechtigt akzeptiert.
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auf die Gesellschaft
Jugendliche vernetzen sich und sind motiviert, sich gesellschaftlich zu engagieren. Es entsteht mehr Beteiligung in Form von digitalem Ehrenamt sowie eine breitere Reflexion über ethische Fragen der Digitalisierung.
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